Von Cocomelon bis Fortnite – was diese beiden Kindermagneten gemeinsam haben und warum die Machart Eltern alarmieren sollte
Wie beeinflussen Serien, Filme und Spiele unsere Kinder? Warum Eltern nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Machart von Medien achten sollten und praktische Tipps, um Medien gezielt zu analysieren, bekommst du in diesem Artikel. Erfahre außerdem, warum die FSK eine wichtige Orientierung ist, aber nicht immer ausreicht, und wie du die Lieblingsmedien deines Kindes individuell bewerten kannst.
SMART PARENTING
Sarah Harms
11/27/20246 min read


Jonas ist 12 Jahre alt und kann es nach der Schule kaum erwarten, in seinen Fortnite-Skin zu schlüpfen und in spannende Matches einzutauchen. Seine Freunde warten schon online, und gemeinsam planen sie ihre nächste Taktik. Doch Jonas' Mutter versteht den Hype um das Spiel nicht. Warum verbringt er so viel Zeit vor dem Bildschirm und hat plötzlich kaum noch Interesse an anderen Aktivitäten wie Fußball spielen?
Die 3-jährige Leonie ist in letzter Zeit oft schlecht gelaunt und lässt sich manchmal nur schwer beruhigen. Wenn gar nichts mehr geht, schaltet ihr Papa gern Cocomelon an – diese unschuldigen Kinderlieder mit den großäugigen Babys, die Leonie so fesselnd findet. Bereits beim typischen Cocomelon-Intro, einem eingängigen, fröhlichen Jingle, der Eltern und Kindern in den Ohren bleibt, entspannt sich Leonie und verfolgt wie gebannt die bunten Figuren auf dem Bildschirm. Papa kann endlich durchatmen.
Als Eltern achten wir bei der Auswahl von Medien für unsere Kinder oft darauf, dass der Inhalt altersgerecht ist und keine problematischen Botschaften vermittelt. Doch reicht das wirklich aus? Was wir häufig übersehen, ist die Art und Weise, wie Medien gestaltet sind – von grellen Farben über schnelle Schnitte bis hin zu Belohnungssystemen und emotional manipulativem Einsatz von Musik. Diese Machart kann einen ebenso großen Einfluss auf die Entwicklung deines Kindes haben wie der Inhalt selbst.
Inhalt vs. Machart – Ein Appell an unser Unterbewusstsein
Als Eltern liegt unser erster Blick verständlicherweise auf dem Inhalt. Ist die Serie gewaltfrei? Vermittelt sie positive Werte? Erscheint sie für das Alter meines Kindes geeignet? Wenn diese Kriterien erfüllt sind, fühlen wir uns oft sicher und erlauben den Konsum. Doch die Machart, die nonverbale Ebene, bleibt dabei meist unbeachtet obwohl gerade sie eine immense Wirkung auf unser Unterbewusstsein hat.
Nimm zum Beispiel Cocomelon: Der Inhalt wirkt harmlos, fröhliche Lieder mit kleinen Botschaften wie „Teilen ist wichtig“ oder „Zähneputzen macht Spaß“. Doch warum können schon Kleinkinder nicht mehr wegschauen? Es liegt an den grellen Farben, der extrem schnellen Abfolge von Szenen und dem manipulativen Einsatz von Musik, besonders dem ikonischen Intro-Jingle. Diese Reize überfordern das kindliche Gehirn, das ständig versucht, die Informationen zu verarbeiten, und dabei stark stimuliert wird. Das Ergebnis? Kinder sind fasziniert, regelrecht gefesselt, und zeigen eine fast reflexartige Beruhigung beim Klang des Intros - und werden häufig genauso reflexartig wütend, wenn wir die Serie wieder ausschalten.
Ähnlich bei Fortnite: Der Inhalt ist ein klassisches Battle-Royale-Spiel, scheinbar harmlos, da die Gewalt cartoonartig dargestellt wird. Doch die wahre Sogwirkung entsteht durch die Machart: ständig neue Belohnungen wie Skins oder Tänze, die in unvorhersehbaren Abständen freigeschaltet werden. Dieses System aus variablen Belohnungen ist psychologisch hochwirksam genau wie Spielautomaten in Casinos und sorgt dafür, dass Jonas und Millionen anderer Kinder und Jugendlicher immer wieder zurückkehren.
Während der Inhalt häufig im Vordergrund unserer Entscheidungen steht, wirkt die Machart oft subtiler und langfristig sogar stärker. Sie spricht das Unterbewusstsein an und beeinflusst nicht nur das Verhalten, sondern auch die Emotionen und die Fähigkeit zur Selbstregulation. Darum sollten wir Eltern nicht nur darauf schauen, was unsere Kinder konsumieren, sondern wie es gemacht ist. Oder glaubst du, dass wir Game Of Thrones allein wegen des - zugegebenermaßen brillianten - Inhalts so sehr geliebt haben?
Die FSK: Wichtige Orientierung, aber kein Allheilmittel
Die Altersfreigaben der FSK sind eine wertvolle Orientierungshilfe für Eltern und leisten in ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag dazu, Kinder vor ungeeigneten Inhalten zu schützen. Sie bewerten Filme nach festgelegten Kriterien, darunter Gewalt, Sprache und emotionale Belastung. Doch die Entscheidungen der FSK sind nicht immer unumstritten. Manchmal werden Filme freigegeben, die Eltern als zu intensiv empfinden, oder sie werden strenger bewertet, als es manche für notwendig halten.
Es ist nahezu unmöglich, eine allgemeingültige Bewertung vorzunehmen, die für jedes Kind gleichermaßen passt. Kinder sind individuell sowohl in ihrer emotionalen Entwicklung als auch in ihren Bedürfnissen. Während ein Kind den neuen Paw Patrol-Film mit seinen actionreichen Szenen völlig entspannt genießt, könnte ein anderes im gleichen Alter davon überfordert sein. Solche Unterschiede kann die FSK nicht kennen, die Eltern aber schon. Nur sie wissen, wie ihr Kind auf Belohnungssysteme, gruselige Musik oder schnelle Schnitte reagiert. Deshalb reicht es nicht aus, sich allein auf die FSK zu verlassen. Eltern müssen die individuellen Bedürfnisse ihres Kindes berücksichtigen und zusätzlich die Machart und die nonverbalen Signale der Medien hinterfragen.
Worauf Eltern achten können
Wenn es darum geht, Medien für Kinder auszuwählen, sollten Eltern zwei Ebenen im Blick behalten: den Inhalt und die technische Machart. Beide wirken auf unterschiedliche Weise, aber gemeinsam beeinflussen sie die Entwicklung deines Kindes.
Die inhaltliche Ebene:
Hier geht es um die Botschaft, die eine Serie, ein Film oder ein Spiel vermittelt. Werden positive Werte wie Freundschaft, Teamwork und Empathie gefördert? Oder dominieren Stereotype und Konflikte, die nur durch Gewalt gelöst werden? Ein Beispiel: Während die Abenteuer von Peppa Wutz einfache Alltagslektionen vermitteln, zeigen andere Kinderformate wie SpongeBob Schwammkopf oft chaotische oder alberne Konflikte, die nicht immer eine pädagogische Botschaft haben. Eltern sollten sich fragen, ob die Inhalte altersgerecht sind und ihr Kind emotional nicht überfordern. Ein sensibles Kind könnte z. B. von einer spannenden Verfolgungsjagd in einem eigentlich harmlosen Animationsfilm verstört werden, während ein anderes dies mit Spannung verfolgt und Spaß hat.
Die technische Ebene der Machart:
Hier spielen Faktoren wie Farben, Schnittgeschwindigkeit und der Einsatz von Musik eine zentrale Rolle. Cocomelon beispielsweise nutzt grelle Farben und schnelle Szenenwechsel, die das Gehirn von Kleinkindern stark stimulieren. Studien zeigen, dass solche visuellen Reize die Aufmerksamkeit kurzzeitig fesseln, aber auf Dauer die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen können. In Spielen wie Fortnite sorgen variable Belohnungssysteme dafür, dass Kinder immer wieder zurückkehren ein Mechanismus, der auch aus dem Glücksspiel bekannt ist. Eltern sollten daher darauf achten, ob ein Medium eher beruhigend oder aufpeitschend wirkt und ob es Mechanismen enthält, die Suchtverhalten fördern könnten.
Unterstützung durch das Ethiklabs-Bewertungssystem
Um Eltern bei der Bewertung von Medien zu unterstützen, hat Ethiklabs ein praxisnahes Bewertungssystem entwickelt, das die wichtigsten Dimensionen abdeckt: Inhalt, Machart und elternfreundliche Funktionen - ein Überblick:
Inhaltliche Ebene
Worauf du achten solltest:
Werte und Botschaften: Fördert das Medium Empathie, Teamwork und Respekt, oder reproduziert es Stereotype und problematische Rollenbilder?
Beispiel: Findet Nemo vermittelt Zusammenhalt, während andere Formate Konflikte durch Gewalt lösen.Handlungskomplexität: Ist die Handlung altersgerecht? Für jüngere Kinder sollte sie einfach und verständlich sein, während ältere Kinder von komplexeren Geschichten profitieren können.
Beispiel: Ein Film wie Encanto ist für verschiedene Altersgruppen verständlich, ohne überfordernd zu sein.Konfliktlösung: Werden Konflikte gewaltfrei gelöst, und bietet das Medium positive Vorbilder?
Beispiel: Paw Patrol zeigt Teamarbeit, während andere Serien aggressive Problemlösungen darstellen.
Technische Ebene / "Machart"
Worauf du achten solltest:
Visuelle Reize: Sind Farben und Kontraste harmonisch, oder überfordern sie das Gehirn deines Kindes?
Beispiel: Cocomelon nutzt grelle Farben, während Bluey auf angenehmere Farbtöne setzt.Tempo und Schnitt: Werden schnelle Schnitte verwendet, die Kinder in ständiger Erregung halten, oder gibt es ein angenehmes Erzähltempo?
Beispiel: Peppa Wutz bietet ein ruhiges Tempo, während viele Spiele wie Fortnite extrem hektisch wirken.Musik und Ton: Manipuliert die Musik die Emotionen deines Kindes oder unterstützt sie die Handlung subtil?
Beispiel: Das eingängige Cocomelon-Intro fesselt Kinder stark, während andere Formate auf dezentere Musik setzen.
Elternfreundliche Funktionen
Worauf du achten solltest:
Kontrollmöglichkeiten: Gibt es Tools, um Bildschirmzeiten oder den Zugang zu Inhalten zu steuern?
Beispiel: Netflix und YouTube bieten Kindermodi, die individuell angepasst werden können.Kindgerechte Erklärungen: Werden schwierige Themen kindgerecht aufbereitet, und gibt es Begleitmaterialien für Eltern?
Beispiel: Dokumentarserien wie Unsere Erde erklären Themen kindgerecht und bieten Eltern Anknüpfungspunkte für Gespräche.Transparenz: Werden Eltern gut informiert, welche Inhalte ihr Kind konsumiert, und wie diese wirken könnten?
Beispiel: Apps wie YouTube Kids zeigen klar, welche Videos verfügbar sind, erfordern aber zusätzliche Kontrolle.
Dieses strukturierte System hilft Eltern, fundierte Entscheidungen zu treffen und die Medienwelt ihrer Kinder besser zu verstehen. Ein kleiner Hinweis am Rande: Dass ein Inhalt, der hier in einem Bereich positiv oder negativ bewertet wurde, heißt nicht, dass er in anderen Kategorien nicht ganz anders abschneiden kann – die Gesamteinschätzung hängt immer von der individuellen Analyse ab.
Noch mehr zum Thema
Falls du dich tiefer mit dem Einfluss der Serie Cocomelon auf Kinder und Erwachsene beschäftigen möchtest, empfehle ich dir das Video von Alicia Joe: "Wie dieser YouTube Kanal dein Kind manipuliert..." Es passt perfekt zu diesem Artikel und zeigt eindrucksvoll, wie technische und inhaltliche Aspekte unsere Kinder beeinflussen - https://www.youtube.com/watch?v=wrNulkr5JwU.
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